
Matthias Meyer: Atropa, Galerie Andreas Binder, München, 11.9.-7.11.2020
Von Anbeginn seines künstlerischen Schaffens zählen Landschaften zu den zentralen Motiven von Matthias Meyers Gemälden. Stets den Blick auf die Natur und deren malerische Umsetzung im Spiel mit den Elementen richtend, wendet er sich nun in seinen neuen Wald- und Seenlandschaften vermehrt der detaillierten Abbildung der Pflanzenwelt zu. Nicht mehr allein die malerische Sichtbarmachung der subjektiven Wirkungsmacht der Natur steht im Mittelpunkt großformatiger Leinwandarbeiten, vielmehr wird die Natur konkret in ihrem dichotomen Verhältnis von Schönheit und Gefahr benannt.
So ist das großformatige Gemälde Atropa nicht allein nach der lateinischen Übersetzung der dort abgebildeten Tollkirsche, die – neben anderen toxischen Pflanzen – Einzug in Meyers Werke gewonnen hat, benannt. Vielmehr beinhaltet die Herkunft des botanischen Namens – abgeleitet von der griechischen Schicksalsgöttin Atropos, die Zerstörerin, die den Lebensfaden der Menschen durchschneidet – den bedrohenden Charakter der Natur, der sich hinter ihrer Schönheit auftut, und verweist dabei auf den immerwährenden Kreislauf des Lebens, bei dem die Zerstörung stets Grundlage für Wandel und Neuentstehung ist.
Und so wie die Natur in ihrer Fülle und vollkommenen Ästhetik gleichzeitig in ihrer Vielschichtigkeit schwer zu fassen ist, so wenig lassen sich auch Meyers Werke an der Oberfläche Ihres Gegenstands oder ihres malerisch-technischen Duktus deuten. Vielmehr spiegelt sich in Meyers Landschaftsgemälden das Wagnis wider, sich – ungerührt von postmodernen Kunstdiskursen – der Essenz der Malkunst und den Wundern der Natur zu widmen. Auf subtile Art und Weise konfrontiert uns der Maler hier mit der Dissonanz von irdischer Ewigkeit und Endlichkeit, Utopie und Dystopie, Material und Reflexion.
Dabei scheint es fast, als würden seine Motive auf der Leinwand zur Spielwiese und Projektionsfläche für die künstlerische Auseinandersetzung mit den Analogien der Materialität von Natur, Malerei und dem Leben selbst. Die Wandlungs- und Anpassungsfähigkeit des Wassers beispielsweise, die ermöglicht, dass Licht und Umgebung gleichermaßen aufgenommen und gespiegelt werden, wird vom Künstler mit Leichtigkeit durch die Kombination von durchlässigen Farbschichten, einer linearen Komposition und dem gezielten Einsatz von Farbe als strukturierendem Element bildhaft wiedergegeben. So wird die Dichte des Waldes und die Unstetigkeit des Wassers in einem Moment der Stille eingefangen und ermöglicht uns einen Blick in das Dahinter und Darunter einer von Schönheit und Gefahr gleichermassen erfüllten Welt. Dabei geht die Bewusstwerdung der Zerstörungskraft der Natur einher mit der Erkenntnis der Gefahr, die wir Menschen für sie sind und macht einmal mehr deutlich, dass die Welt nur im Einklang von Mensch und Natur weiterbestehen kann.
Diese inhaltliche Komponente spiegelt sich schließlich auch in der konkreten Vorgehensweise des Künstlers wider: so bedient Meyer sich nicht nur Fotografien als Vorlage für seine Gemälde, auch die Ausfertigung folgt einer geometrischen Komposition, die sich an der Tradition der Farbfeldmalerei orientiert und der dann ein davon losgelöster, improvisierender Schaffensprozess folgt. Die abstrakte Andeutung der Landschaft, kombiniert mit dokumentarischen Details im Spiegel des konzeptionellen Aufbaus ermöglichen so, die nicht definierbaren Bildräume der Natur wiederzugeben. Meyer folgt bei dieser Vorgehensweise der Auffassung, dass sie sich die Malerei – analog zum Leben – in einem immerwährenden Fluss befindet, bei dem das Bild „ein Eigenleben entwickelt und sich dabei beinahe etwas natürliches bewahrt“. Die Arbeit mit stark verdünnter Ölfarbe und Lösungsmitteln, die zufälligen Farbverläufe, Verwischungen und Überlagerungen machen das deutlich.
So mündet die Hinwendung zu Konzeption und Bildhaftigkeit in seiner Praxis in ein Prinzip der Formlosigkeit, bei dem die Farbe als den Bildraum komponierendes Mittel autonom eingesetzt wird.
Dank dieses technisch-konzeptuellen Ansatzes scheint es Matthias Meyer zu gelingen, nicht nur den Antagonismus zwischen Figuration und Abstraktion, Schönheit und Gefahr, sondern auch den zwischen Kunst, Natur und Leben zu überwinden
( Text: Leni Senger).
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.
GALERIE ANDREAS BINDER
Knoebelstrasse 27
D-80538 München
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info@andreasbinder.de
www.andreasbinder.de
ERÖFFNUNG
Freitag, 11. September 2020 | 19 Uhr
Der Künstler ist anwesend.
OPEN ART WEEKEND:
12. & 13. September | Sa & So | 11 – 18 Uhr